Paĝo:Germana Esperantisto - Aŭgusto-Oktobro 1914 B.pdf/3

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schweren Gepacks beispringe, hilft mir ŭber die Schwierigkeiten der Zollrevision hinweg, und so komme ich bis Lille, wo ich den belgischen Zug mit dem franzosischen vertausche. Im Wagen werden leidenschaftliche Gesprache gefŭhrt, einer halt einen formlichen Vortrag und versichert mit Stentorstimme: „Nous sommes la grande nation!" Gott sei Dank, er steigt bald aus, aber neue Menschenmengen drangen nach, Manner, Frauen und mehr und mehr Soldaten. Vor mir steht breit- beinig ein Unteroffizier; das Gesprach dreht sich um nichts weiter als Deutschland, Frankreich und Krieg, und so wurde mir's einigermafien schwŭl zumute. Denn ich konnte mich mit meinem Schulfranzosisch, das ich seit meiner Schiilerzeit nicĥt wieder aufgefrischt hatte, unmoglich be- teiligen, ohne in mir den Auslander zu verraten; anderseits mufite mein Schweigen auf die Dauer auffallen. Da es mir nicht geraten schien, mich in dieser aufgeregten Menge als Deutscher vor- zustellen, der zudem noch die Absicht hat, nach Paris zu reisen, stellte ich mich mŭde und halb sdilafend, liefi mich aber durch das Halten des Zuges auf den Bahnhofen immer wieder „wach"-rŭtteln und beobachtete mit Interesse das stetig sich steigernde militärisehe Treiben. Douai, Arras, Amiens folgen aufeinander. Überall Soldaten und um so mehr, je näher wir Paris kommen; mit Erstaunen sehe ich, daß das franzosische Militar noch immer die bunten Uniformen trägt, vielfach (doch nicht immer) die grellen roten Hosen. Die Mobilisation war an diesem 1. August in vollem Gange, allenthalben sah man Männer, zum Teil mit ihren Militarsachen versehen, zu den Stationen eilen; die Brücken waren militärisch bewacht.

6:10 Uhr abends, mit einstündiger Verspatung, fuhr der Zug endlich in den Pariser Nordbahnhof ein. Schwarz ist der Bahnhof vor Menschen, durch die man sich nur mit Mŭhe winden kann. lch spahe nach der Esperantoflagge oder ahnlichem; aber nichts von alledem! Als idi aus dem dichtesten Gewühl heraus war, hielt mich plotzlich ein Beamter am Rodckragen fest und sprach einige mir unverstandliche Worte auf mich ein. Ich sagte mit der liebenswŭrdigsten Miene, auf meinen Stern weisend: „Je suis esperantiste!" und merkwŭrdig! — er lachelte und ließ midi weiter.

So stand ich im Gewühl der Weltstadt, links und rechts ein Gepackstück, ohne Führer, selbst ohne einen Plan von Paris, wußte nur, daß unser Kongreßbüro, der Gaumont-Palace, am Place de Clichy liegt. Da fallt mein Blick auf den Eingang zu einer Untergrundbahnstation mit einem aushangenden Plan der Stadt. Dahin ging ich, prägte mir die zu gehenden Straßen fest ins Gedächtnis und eilte nun meinem Ziele zu, in der Hoffnung, so am ersten Esperantisten und damit -Helfer zu treffen. Hoch in den Lŭften ŭber der Rue de la Fayette schwebte ein Flugzeug mit einer Trikolore, wahrscheinlich um Stimmung zu machen. lch erreichte die Rue de Clichy, wohin ich so manchen Brief gesandt hatte. (Bekanntlich befindet sich dort das Zentralbŭro fŭr Esperanto.) Da — welche Freude! Der Esperantostern! Ein norwegischer Esperantist ist es, dessen Ausseres mir noch von Krakau her bekannt war. „Bonan tagon, samideano! Findet der Kongrefi statt?" Traurig berichtet er mir, dafi er nicht stattfinden werde, und dafi man noch heute abend das mittags eroffnete Esperanto- bŭro schlieSen wolle. Ich eile weiter und treffe einen tschechischen Esperantisten, der mir freundlich mein Gepack tragen hilft und mich führt. Wir treffen in der langen Straße noch mehrere Esperantisten, Franzosen und Spanier. Wir begrüßien sie kurz; denn schon winkt der Gaumont-Palace, von dessen Dache die franzosische und die Esperantoflagge grüßien. Ich will nach dem mit Flaggen aller Nationen geschmückten Haupteingang eilen, da — ruft nicht jemand meinen Namen? Richtig! Es ist Frl. G., die einst in Krakau in meiner Pension wohnte, und deren Bekanntschaft ich zu Pfingsten in Leipzig erneuert habe.

Sie drückt mir die Hand und rat mir, sofort wieder umzukehren, das Empfangsbüro sei soeben geschlossen worden. Tiefe Trauer lag in den Mienen unserer sonst so energischen Pionierin. Meine Frage, weshalb ich keine Absage nach Ostende bekommen habe, beantwortet sie dahin, daß meine Karte mehrere Tage auf der Post zurŭckgehalten worden sei, sie habe sie eben bekommen. Wir verabschiedeten uns mit dem Wunsche auf ein Wiedersehn unter günstigeren Umstanden. Also zurück:! Noch hatte ich die Absicht, wenigstens eine Nacht in Paris zu bleiben, denn ich war mŭde und hatte seit vormittags nichts gegessen. Mein Begleiter erbot sich, mich nach einem Hotel in der Nahe des Nordbahnhofes zu fŭhren. Auf dem Wege dahin sah idi, wie viele Leute mit Packen und Koffern zur Bahn eilten. Einer von ihnen sieht mich an, ich ihn. „Sind Sie Landsmann?" frage ich. „Gewiß! Reisen Sie auch nach Deutschland zurück?" „Ja, isf es denn so eilig?" Er versichert mir, daß der deutsclie Generalkonsul allen Deutschen geraten habe, noch heute Frankreich zu verlassen. „Landsmann, ich schließe mich Ihnen an!" Gesagt, getan! Ich verabschiedete mich mit herzlichstem Danke von meinem Führer, und wir eilen dem Bahnhof zu. Auf dem Wege dahin kommt uas straßenbreit ein larmender Zug entgegen nŭt Fahnen, dahinter eine Rotte junger Manner, Zivil und Militar; sie schreien im Takte: „A Berlin, a Berlin!" Ihre Gefolgschaft singt die Marseillaise. Wer von den Vorübergehenden nicht den Hut abnimmt, bekommt ihn vom Kopfe geschlagen; meiner hing glŭcklicherweise am Westenknopf.