Seite:Der Stechlin (Fontane) 390.jpg

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am Kanal hin in den Tiergarten hinein und dann an den Zelten vorbei bis in Ihre Wohnung.“

     Eine Weile schwiegen beide Damen; im Augenblick aber, wo sie von dem holprigen Pflaster in den stillen Asphaltweg einbogen, sagte die Baronin: „Ich begreife Stechlin nicht, daß er nicht ein Coupé apart genommen.“

     Melusine wiegte den Kopf.

     „Den mit der goldenen Brille,“ fuhr die Baronin fort, „den nehm’ ich nicht schwer. Ein Sachse thut keinem was und ist auch kaum eine Störung. Aber der andre mit dem Juchtenkoffer. Er schien ein Russe, wenn nicht gar ein Rumäne. Die arme Armgard. Nun hat sie ihren Woldemar und hat ihn auch wieder nicht.“

     „Wohl ihr.“

     „Aber Gräfin…“

     „Sie sind verwundert, liebe Baronin, mich das sagen zu hören. Und doch hat’s damit nur zu sehr seine Richtigkeit: gebranntes Kind scheut das Feuer.“

     „Aber Gräfin…“

     „Ich verheiratete mich, wie Sie wissen, in Florenz und fuhr an demselben Abende noch bis Venedig. Venedig ist in einem Punkte ganz wie Dresden: nämlich erste Station bei Vermählungen. Auch Ghiberti – ich sage immer noch lieber ‚Ghiberti‘ als ‚mein Mann‘; ‚mein Mann‘ ist überhaupt ein furchtbares Wort – auch Ghiberti also hatte sich für Venedig entschieden. Und so hatten wir denn den großen Apennintunnel zu passieren.“

     „Weiß, weiß. Endlos.“

     „Ja, endlos. Ach, liebe Baronin, wäre doch da wer mit uns gewesen, ein Sachse, ja selbst ein Rumäne. Wir waren aber allein. Und als ich aus dem Tunnel heraus war, wußt’ ich, welchem Elend ich entgegenlebte.“

     „Liebste Melusine, wie beklag’ ich Sie; wirklich,

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Theodor Fontane: Der Stechlin. Berlin: F. Fontane, 1899, Seite 390. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Stechlin_(Fontane)_390.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)